Meine letzten zwei Monate in Tansania

 

Nun habe ich schon seit knapp zwei Monaten nichts mehr von mir hören lassen und plötzlich bleiben mir nur noch fünf Tage bis zu meiner Abreise. In der Zeit, seit ich meinen letzten Artikel hochgeladen habe, sind noch so viele Dinge passiert und auch in den verbleibenden Tagen habe ich noch einige Pläne.

 

 

 

Im Juni sind die meisten Schulen in Tansania geschlossen und die Kinder haben Ferien. Da man in einem Monat sehr viel des Gelernten vergessen kann, hat Kaponda veranlasst, dass unsere Kids in Faraja ein Nachhilfeangebot wahrnehmen können und noch dazu in der Schule essen können, weil die Eltern natürlich keine Ferien haben und mittags nicht kochen können. Es waren also weniger Kinder da als gewöhnlich, sodass Patricia und ich die Zeit genutzt haben, um mit einer überraschenden und sehr großzügigen Spende eines Ingenieurbüros aus Hamburg das Tischlern von 25 Schulbänken zu veranlassen. Seit Anfang Juli können nun also alle Kinder der älteren zwei Klassen auf Tischen schreiben und müssen ihre Übungen nicht mehr auf dem Fußboden machen. Sie haben sich riesig gefreut und Faraja sieht nun aus wie eine echte Schule!

 

 

Da wir während der Ferien nicht jeden Tag im Projekt gebraucht wurden, haben Patricia und ich einen Montag freigenommen, um ein verlängertes Wochenende in Morogoro zu verbringen, wo wir zuletzt Ende September des vergangenen Jahres waren, um das Frauen-Projekt von Rehema zu besuchen und neun Stunden lang wandern zu gehen, wobei wir alle an unsere körperlichen Grenzen gestoßen sind… Dieses Mal sind Patricia und ich ganz alleine gefahren und zwar ziemlich spontan; die Idee kam uns erst zwei Tage vorher. Mit der App „AirBnB“ haben wir jemanden gefunden, bei dem wir für kleines Geld übernachten konnten und mit seinen beiden Mitbewohnern hat er uns ziemlich viele schöne Ecken in Morogoro gezeigt. Am zweiten Tag waren wir wieder wandern, aber dieses Mal mussten wir meinetwegen umdrehen, weil mein Körper bei der Höhe einfach nicht mehr mitspielen wollte. Eine fantastische Aussicht hatten wir trotzdem!

 

In der Woche nach unserem Ausflug kam Patricias Schwester für anderthalb Wochen zu Besuch und wir zeigten ihr unser Projekt, einige Orte in Dar und fuhren mit ihr ein letztes Mal nach Sansibar, bevor Patricia mit ihr zum Wandern an den Kilimandscharo fuhr und ich zur Arbeit zurückkehrte und mit einigen Kindern ins Krankenhaus ging. Nach und nach möchten wir so viele Kinder wie möglich zu einem Check-Up bringen, damit die Eltern sehen können, welche Vorteile sie mit der durch Spenden finanzierten Krankenversicherung ihres Kindes haben. Mit über zwanzig Schülern waren wir nun schon in einem privaten Krankenhaus, um ein Blutbild anfertigen zu lassen, Urintests durchführen und die Kinder unter anderem auf HIV und Malaria testen zu lassen. Es waren schon einige bakterielle Infekte, Harnwegsinfektionen, Erkältungen und eine Lungenentzündung dabei, wofür wir jeweils sofort und kostenlos Medikamente mitnehmen konnten. Nun liegt es an den Eltern, deren korrekte Einnahme zu veranlassen und gegebenenfalls ins Krankenhaus zurück zu fahren. Viele der Kids waren schon ohne uns im Krankenhaus, weil die Eltern so stolz waren, ihren Nachwuchs in ein privates Krankenhaus bringen zu können, wo sonst nur die wenigsten Menschen aus Tandale einen Fuß reinsetzen und es freut uns sehr, zu sehen, dass das Angebot von vielen so gut wahrgenommen wird.

 

Noch einmal nach Sansibar zurückkehren zu können, war eine der schönsten Chancen, die sich Patricia und mir in den letzten Monaten ergab, denn diese Insel ist mittlerweile auch zu einem Teil unserer Heimat Tansania geworden. Wir haben so viele unserer Freunde wiedergetroffen, neue kennengelernt und erneut ein paar schöne und erlebnisreiche Tage in diesem kleinen Paradies verbracht. Als wir vor unserer Rückkehr nach Dar einige Freunde schon endgültig verabschieden mussten, fiel das wirklich schwer und es machte mir bewusst, wie schnell das Ende meiner Zeit hier näher rückt. Viele unserer Freunde haben allerdings versprochen, am Samstag zu unserer Abschiedsfeier zu kommen, denn für sie ist Dar nur einen Katzensprung entfernt und die Fährtickets sind – wie vieles Andere auch – für Tansanier wesentlich günstiger als für uns.

 

 

Anfang Juli konnten Patricia und ich Tess - eine gute Freundin aus den Staaten - willkommen heißen, die Ende letzten Jahres drei Monate als Freiwillige in Chakuwama (einem Waisenhaus bei uns in der Nähe) gearbeitet hat und die nun zurückgekehrt ist, um ein kleines Mädchen aus dem Waisenhaus abzuholen, denn ihre Eltern möchten die Kleine adoptieren! Während sie sich um die ganzen bürokratischen Prozesse kümmerte, hat sie den zweiten Teil des Waisenhauses renoviert, das vor einigen Jahren ausgelagert worden ist, weil zu viele Kinder dort lebten. Letzten Sonntag haben wir dieses Projekt besucht und ich würde so gerne noch einmal dort vorbeischauen, weil wir mit den wundervollen Kindern dort so einen tollen Tag verbracht haben. Ich hatte noch viele materielle Spenden übrig, für die unsere Kinder in Faraja zu klein sind und die haben wir mitgebracht und nachdem wir eine Stunde alle zusammen Fußball spielen waren, haben wir mit den Kindern bis zum Abendessen gebastelt und gespielt und die Freude der Kinder war einfach so ansteckend!

 

 

Vor einem knappen Monat haben Patricia und ich uns auf eine letzte gemeinsame Reise gemacht, um über’s Wochenende einen Freund in Mwanza am Viktoriasee zu besuchen. Er hat uns die Stadt gezeigt und wir haben nicht nur eine Bootstour im tansanischen Teil des Sees gemacht, sondern sind am nächsten Tag auch auf die Saanane-Insel gefahren, auf der sich der kleinste Nationalpark Tansanias befindet. Die Aussicht und die Natur waren atemberaubend schön, aber die Tiere auf dieser Insel leben nicht gerade unter artgerechten Bedingungen, was mich ziemlich schockiert hat, denn warum darf es sich dann Nationalpark nennen?

 

 

Das Wochenende drauf bin ich mit unserer amerikanischen Mitbewohnerin nach Mbeya gefahren. Die Stadt liegt im Südwesten Tansanias und ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gefroren habe! Bei gerade einmal 12°C kuschelten wir uns nachts unter den dicken Decken unseres Gastgebers zusammen, den ich über die App „Couchsurfing“ gefunden hatte und der uns kostenlos einen Schlafplatz anbot und am nächsten Morgen dabei half, unseren geplanten Ausflug zum Ngozi-Kratersee zu realisieren, der etwas abenteuerlicher verlief als geplant. Der Freund, der uns begleitete, sprach von einer zweistündigen Wanderung und wir sagten ihm, wir müssten erst mal noch frühstücken. Leider haben wir auf dem Weg zum Ausgangspunkt der Wanderung kein Essen gefunden und so machten wir uns mit leerem Magen auf den Weg. Die zwei Stunden wurden zu fünf, von denen wir fast drei steil den Rand des Vulkans hinaufkletterten, in dessen Innerem der Kratersee zu bewundern war. Die Aussicht war sehr beeindruckend und die Strapazen des Aufstieges definitiv wert, aber ein bisschen verrückt war es schon, das alles ohne Essen zu absolvieren. Die erste Mahlzeit des Tages hatten wir übrigens abends um neun und bis heute wissen wir nicht, wie wir das durchgehalten haben…

 

Meine Zeit der Entdeckungsreisen durch Tansania habe ich mit diesem Wochenendausflug beendet und die letzten Wochen über standen nur noch unsere Freiwilligenarbeit und regelmäßige Treffen mit Freunden im Mittelpunkt. Vorletztes Wochenende haben wir mithilfe einer weiteren Spende einen Ausflug in den Zoo mit all unseren Kindern organisieren können und nach der anfänglich riesigen Angst vor diesen großen Tieren hatten doch alle Kinder ihren Spaß und waren mächtig beeindruckt von all den Löwen, Zebras, Straußen, Adlern, Affen, Kamelen und anderen in Afrika heimischen Tieren. Natürlich war es klasse, zu sehen, wie sehr sich die Kinder und Lehrer den ganzen Tag über alles gefreut haben, was den Besuchern im Dar es Salaam Zoo geboten wurde, aber mich ließen einige Anblicke des Tages sehr schockiert zurück. Das Zimmer, das Patricia und ich uns seit nun fast einem Jahr teilen, ist wirklich klein, aber noch kleiner waren viele der Käfige, in denen riesige Tiere wie Löwen oder Seeadler zu zweit eingesperrt waren und alles, was beispielsweise die Löwen zur Beschäftigung bekamen, war ein Stück Fleisch, das alle vier Tage von einem Pfleger ins Gehege geworfen wird. Natürlich sollten alle Kinder Fotos mit den Tieren im Hintergrund bekommen, aber ich war fassungslos, als die Frau, die uns im Zoo herumführte, plötzlich Steine nach den Löwen warf, damit die sich bewegen und nicht so langweilig am Boden rumliegen… Viel schöner war da für mich der riesige Spielplatz, auf dem unsere Schüler sich mal so richtig austoben konnten! Das Kinderlachen und die Freude in den Augen unserer Kleinen werde ich nie vergessen.

Letztes Wochenende wollten wir Abschied nehmen von all den anderen Kindern, denen wir in Tandale während unseres Jahres so begegnet sind, also luden wir neben unseren eigenen Schülern noch die von vier weiteren Vorschulen zu einem großen gemeinsamen Sporttag ein. Wir hatten zehn Bälle, ein Springseil und viele Seifenblasen mit und kaum hatten wir alles auf einem großen Spielfeld (bzw. Schulhof der nahegelegenen Grundschulen) ausgepackt, rannten die Kinder auch schon davon und tobten und spielten stundenlang, bis der Hunger und der Durst kamen. Wieder einmal kamen Spendengelder zum Einsatz und wir konnten allen eingeladenen Kindern und noch vielen Nachbarskindern Brot und Getränke ausgeben. Über 200 kamen so zusammen und wir hatten einen wirklich schönen Vormittag gemeinsam!

 

Heute waren Patricia und ich nach der Arbeit auf der Halbinsel Kigamboni, um dort unsere Freundin Rehema zu treffen. Das Frauenprojekt, das sie uns vor knapp einem Jahr in Morogoro gezeigt hat, hat dort mittlerweile einen zweiten Standort und da wir noch immer knapp 300€ Spendengelder übrig hatten, wollten wir ihr Projekt gerne unterstützen, weil wir in Faraja nun wirklich viel erreicht haben und selbst Kaponda keine Ideen mehr hatte, was man noch für Geld kaufen könnte (nachdem wir auf seinen Rat hin einen Fernseher finanziert haben, mit dem wir Videos abspielen, durch die die Schüler spielerisch und mit niedlichen Liedern pädagogische Inhalte und englische Vokabeln lernen – sie lieben es!!!).

 

WEEDO (Women Empowering and Entrepreneurship Development Organization) ist ein Projekt, in dem Mädchen lernen, ihr Leben selbst aktiv zu gestalten und das auf so viele Wege! Eine von Rehemas Kolleginnen unterrichtet Englisch, damit sie sich in der immer moderner werdenden Welt besser zurechtfinden können, mit einer anderen tanzen sie zusammen und eine weitere Lehrerin bringt ihnen das Nähen bei. Momentan schneidern die knapp dreißig Teenagerinnen Taschen, Beutel und Buchhüllen. Das Ganze soll ihnen helfen, zu erkennen, dass sie unabhängig von anderen etwas erschaffen und damit Geld verdienen können. Denn wenn man als Frau in Tansania nicht selbstständig für seinen Lebensunterhalt aufkommen kann, erfolgt eine häufig nicht freiwillige Hochzeit, wenn die Eltern des Mädchens nicht mehr für sie aufkommen können. Die Mädchen in Rehemas Projekt können außerdem aus verschiedenen Gründen nicht zur Schule gehen, weswegen der Unterricht dort ihre einzige Chance ist, sich weiterzubilden und auf das Leben vorzubereiten. Dazu finden außerdem viele Gesprächsrunden statt, bei denen Rehema und ihre Mitarbeiterinnen mit den jungen Frauen in Erfahrungsaustausch treten, über die Rolle der Frau diskutieren, Gewalt gegenüber Frauen thematisieren und neben Zukunftsplänen und persönlichen Herausforderungen noch viele andere wichtige Themen besprechen. Mit unserer Geldspende haben die Frauen bisher einen großen Tisch zum Ausmessen und Zuschneiden der Stoffe, zehn neue Scheren und einige Regale gekauft, um ihre fertigen Taschen für Besucher ausstellen zu können. Ich möchte das Projekt allerdings auch von Deutschland aus weiter unterstützen und werde deswegen in einigen Läden nachfragen, ob sie Interesse daran hätten, diese Taschen zu verkaufen. Unsere ehemalige Mitfreiwillige aus Schweden hat das schon gemacht und ist auf tolle Reaktionen gestoßen. Gerade jetzt, wo der Klimawandel ein immer größeres Thema wird und Menschen versuchen, umweltfreundlicher zu leben, sind Einkaufsbeutel aus Stoff eine ideale Alternative zu den vielen Plastiktüten. Ich hoffe wirklich, dass ich Rehemas Idee nach Deutschland bringen und dort Menschen von ihrem Projekt überzeugen kann. Vielleicht folgt dazu ja bald noch die ein oder andere Neuigkeit auf diesem Blog!

 

Doch erstmal heißt es so langsam Abschied nehmen. Übermorgen haben Patricia und ich unsere Verabschiedungsfeier geplant, zu der all die Freunde eingeladen sind, die uns in diesem Jahr am meisten ans Herz gewachsen sind, dann werden wir noch ein letztes Mal an den Strand gehen, ein letztes Mal unsere Lieblingsgerichte essen, ein letztes Mal mit dem Daladala zur Arbeit fahren, ein letztes Mal unsere Kinder sehen… So sehr ich mich auch darauf freue, meine Familie, Freunde und Bekannte wieder zu sehen, so schwer fällt es mir auch, zu gehen. Ich habe in den letzten zwölf Monaten ein neues Leben für mich aufgebaut und das nun so einfach zurücklassen zu müssen, wird ein sehr trauriges Gefühl mit sich bringen. Auch wenn ich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, dass es kein Abschied für immer sein wird, ist es einfach unfassbar, was ich alles im letzten Jahr erlebt und zu lieben gelernt habe und nun hinter mir lassen muss. Ein neues Kapitel wartet auf mich: Das Studium.

 

 

 

Euch alle, die Ihr mein Jahr hier in Tansania auf meinem Blog oder anderweitig mitverfolgt habt, grüße ich nun also noch ein letztes Mal aus meiner zweiten Heimat und ich danke erneut all denen, die es mir durch ihre Unterstützung möglich gemacht haben, das bisher schönste und erfüllendste Jahr meines Lebens hier zu verbringen!

 

Asanteni sana na kwa herini!

 

Vielen Dank und auf Wiedersehen!