Die Arbeit in meinem Projekt

Ein Arbeitstag beginnt für mich sehr früh: 6:30 Uhr aufstehen, duschen, einen Keks und manchmal etwas Obst essen, Tasche packen und dann geht’s zwanzig nach sieben zur Daladala-Haltestelle. Mit dem Bus (Daladala) fahre ich etwa eine halbe Stunde bis nach Tandale und von der Haltestelle dort ist es noch ein etwa fünfminütiger Fußweg bis Faraja.

 

Dort angekommen, werden Patricia und ich meistens von freudestrahlenden Kindern mit Umarmungen und Begrüßungsfloskeln empfangen. Wenn der Großteil der Kinder da ist, fangen wir an, eine Reihe von Energizern mit den Kindern zu machen, also von Bewegungen begleitete Lieder und Verse auf Englisch, Swahili und seit Freitag sogar auf Deutsch! Danach singen die Kinder mit der rechten Hand auf dem Herzen erst die offizielle und dann die inoffizielle Nationalhymne Tansanias und oft wiederholen wir oder die Lehrer spielerisch englische Vokabeln mit ihnen, die sie schon gelernt haben, oder die Lehrer lassen sie auf Englisch oder Swahili im Chor von 1 bis 50 zählen.

 

Zwischen halb und um neun marschieren die Kids in ihre Klassenzimmer und essen dort ihr mitgebrachtes Frühstück, während wir typisch tansanische Spezialitäten (zumeist frittiertes Brot, frittiertes Wurzelgemüse, frittierte Teigtaschen oder Kartoffeln) und eine Tasse Tee bekommen.

 

Im Anschluss bereiten wir die Arbeitshefte für die Kinder vor, denen daraufhin im Individualunterricht die Buchstaben und Zahlen (auf Englisch und Swahili), sowie das Lesen und Schreiben von Silben und simples Addieren der Zahlen von 1 bis 10 beigebracht wird. Das kann – abhängig von der Tagesform der Kinder und ihrem Drang, den Radiergummi häufiger als nötig zu benutzen – bis zu anderthalb Stunden dauern.

 

Danach holen uns meistens schon die Kinder von unserem „Zweitjob“ ab. Kaponda, unser Direktor, hat uns nämlich eine Woche nach unserem Start ins Projekt einen Jungen namens Munir vorgestellt, der gerade die Grundschule beendet hat. In Tansania dauert das sieben Jahre, weswegen er schon 13 ist. In den öffentlichen Grundschulen des Landes findet sämtlicher Unterricht (abgesehen von Englisch) auf Swahili statt und in Tandale gibt es kaum Menschen, die sich die Finanzierung ihrer Kinder an privaten Grundschulen leisten können, wo auf Englisch unterrichtet wird. Nun ist es aber so, dass der Unterricht an den weiterführenden Schulen in sämtlichen Fächern auf Englisch stattfindet (abgesehen von Swahili) und auch wenn wir noch nicht herausgefunden haben, wie der Englischunterricht an Grundschulen abläuft, ist doch schon bei Munirs Vorstellung klar geworden, dass da irgendetwas nicht ganz so erfolgreich gelaufen ist, denn außer auf die Frage nach seinem Namen konnte er leider keine einzige auf Englisch verstehen, geschweige denn beantworten. Im Januar geht es für seinen Jahrgang an den weiterführenden Schulen weiter und bis dahin ist es unsere Aufgabe, ihnen so viel Englisch wie möglich beizubringen, damit sie im Unterricht dort nicht ganz so verloren sind. Am zweiten Tag dieses Mega-Projekts hatten wir schon vier Schüler – mittlerweile sind es 33 Jugendliche zwischen zwölf und 15, die jeden Tag für eine bis anderthalb Stunden mit ziemlich viel Begeisterung unseren Ausführungen und Erläuterungen folgen. Schon nach einer Woche hatten wir den Pool der Fragen und Antworten von einer („What’s your name?“) auf zwanzig ausgebaut und mittlerweile trauen wir uns sogar schon, sie mit Grammatik zu nerven. Es ist zwar klasse zu sehen, wie schnell sie Fortschritte machen, aber es ist auch ziemlich anstrengend, über dreißig pubertierende und verquatschte Teenager dazu zu bringen, sich so lange fokussiert auf eine Thematik einzulassen.

Wenn wir die „Großen“ entlassen haben, geht es wieder rüber zu den Kleinen, die dann bereits ihr Mittagessen ausgeteilt bekommen, bevor sie sich zum Mittagsschlaf alle auf geflochtenen Plastik-Matten zusammenkuscheln. Da ist es schon fast um zwei und nach sechs Stunden Kinderbetreuung, Vokabel-Lernen, Unterrichten und Trösten, wenn eine kleine Kappelei mal wieder in Tränen endete, beginnt eigentlich erst der mental wirklich anstrengende Teil des Tages. Wenn die Kinder schlafen, heißt es für uns nämlich „Swahili-Lernen!“. Angefangen hat es damit, dass Kaponda uns einfache Fragen gestellt hat, wie wir es mit unseren Englisch-Schülern gemacht haben. Mittlerweile führen wir aber ganze Gespräche auf Swahili und manchmal winkt er einen der Männer heran, die in der Umgebung arbeiten, oder sich aus anderen Gründen immer in der Nähe aufhalten und weist sie an, sich mit uns zu unterhalten.

 

Gegen dreiviertel vier (15:45 für alle, die eine Übersetzung brauchen XD), wenn unsere Köpfe von den vielen Fragen, neuen Vokabeln und Grammatik-Regeln rauchen, nehmen wir unsere allerletzte Aufgabe in Angriff: Sobald unser Stichwort „Kuvuka barabara“ (Straße überqueren) ertönt, versammeln wir draußen alle Kinder um uns, die über eine große Straße müssen, um nach Hause zu kommen. Was in Deutschland undenkbar wäre: sogar die Zweijährigen gehen alleine nach Hause! Die Kinder versuchen also alle, eine unsere Hände zu greifen und jeden Tag bricht ein regelrechter Kampf darum aus, wer an die Hand darf und wer nicht – meistens endet es damit, dass jede von uns ca. vier Kinder an sich hängen hat und dann bringen wir alle sicher über die Straße, bevor wir uns auf den Heimweg machen. Dieser kann mitunter bis zu anderthalb Stunden dauern - abhängig von der Verkehrslage. Wenn wir ankommen, geht die Sonne bereits unter und das Spielen mit den Kindern sorgt dafür, dass wir eigentlich schon ab um sieben reif für’s Bett sind, aber das ist es absolut wert! Ich liebe das Projekt und die Kinder und genieße jeden Tag, den ich mit ihnen habe!